Zumeist ist der Weg das Ziel, wenn der Drahtesel gepackt ist. Die Strecken entlang deutscher Flüsse sind mittlerweile zu den heiß begehrten Kilometern geworden, die sich die Menschen zu Eigen machen, wenn sie ihre Fahrräder besteigen. Zu den schönsten beradelbaren Ufern zählen die der Mosel. Nicht nur, weil sie sehenswerte Blicke auf das fließende Gewässer in vielen Varianten erlauben, auch lässt es sich hervorragend leben, wenn man dem Sattel wieder entsteigt. Viele Spots jenseits der Pisten, die zumeist von Weinbergen gesäumt sind, fordern zu Aufenthaltspausen.

„Lieber mit 70 geplatzt, als mit 100 verhungert“, verkündet Zimmerwirtin Pia Schmitt eines ihrer Lebensmottos, während sie den Wildschweinbraten mit deftigen Zutaten auftafelt. Dazu den typischen Rieslingwein der Region um Longuich an der Mosel und einen Dornfelder, um dem Gericht die richtige Flüssigkeit an die Seite zu stellen. Da in dem Ort nur wenige Menschen nicht Schmitt heißen und auch nur wenige nicht mit Wein zu tun haben, hat das Motto vom „Leben und Leben lassen“ einen unerschütterlichen Stellenwert in der Mentalität der Einwohner von Longuich, die sich auch gern einmal in plattdeutscher Sprache unterhalten, wenn eine Mitteilung halbgeheim bleiben soll. Wer sich hier nicht wohl fühlt, muss ganz sicher noch etwas an sich selbst arbeiten.

Da viele Radtouren in Longuich starten, weil die Pfälzer Gemeinde logistisch perfekt zwischen dem Weinort Bernkastel-Kues und dem Rom des Nordens Trier gelegen ist, bleiben den Fans der Beinbewegung im Sattel alle Möglichkeiten, genüsslich Kilometer auf dem Tageszähler zu hinterlassen. Dass man dabei immer wieder von Sehenswürdigkeiten der besonderen Art von der Tour an der Mosel abgehalten wird, gehört offensichtlich zum Programm. So birgt schon Longuich mit der alten römischen Villa, der Villa Urbana, einen erlebenswerten Punkt, der in die Vergangenheit führt, ohne die Gegenwart zu verlassen. Hier ist man allerdings besser zu Fuß unterwegs, um die Gemäuerreste zu begutachten, denn der Weg ist nicht für Fahrräder präpariert.

Wer nicht seine eigenen Fahrräder dabei hat, für den hält der kauzige Automechaniker Hans Mentchen eine kleine Auswahl bereit. Nach einem verbindlichen Gespräch tauscht er auch den geladenen Akku gegen den halb verbrauchten aus, wenn die Laune entsprechend aufgehellt ist. Mit dieser liebenswerten Art ist er nicht allein in seiner Heimat. Auch im Lager der Gastronomen ist die Spezies des Moselaners häufig anzutreffen, dessen Humor nicht selten trockener als der Riesling ist.

Zwar ist es nicht unentbehrlich, die Moselseite hin und wieder zu wechseln, wenn der Radweg genutzt werden will. Das führt dann dazu, die kleinen Orte am idyllischen Fluss besser kennen zu lernen. Mehring beispielsweise bietet auch eine ehemalige Villa aus der Römerzeit auf und Neumagen-Drohn fährt sogar einen originalgetreuen Nachbau eines römischen Weinschiffes auf die Mosel. Die römische Kelteranlage in Piesport versucht ebenso einen positiven Kontakt zur Vergangenheit der belagerten Region herzustellen, die von den ehemals belagerten Vorfahren sicherlich gespaltener beurteilt wurde.

Heute ist das Non plus Ultra der römischen Vergangenheit ohne Zweifel vornehmlich in Trier zu finden. Auch die malerische Universitätsstadt lässt sich hervorragend mit dem Fahrrad erreichen, wenn das gut ausgebaute Radwegenetz dafür genutzt wird. Im einstigen Römerreich nahm Trier eine bedeutende Stellung ein. Samt der Stadtmauern errichteten die Römer um etwa 170 n. Chr. das schwarze Tor oder lateinisch Porta Nigra. Trier hatte das Glück und auch das nötige Kleingeld, um wesentliche Teile des historischen Bauwerks bis in die heutige Zeit zu retten. Ehrfurcht vor der Leistungskraft der verblichenen Bauherren ist wohl keinem Betrachter abzusprechen, der vor den meterdicken Mauern steht und der gewaltigen Substanz den Respekt zollt. Im Inneren offenbart ein Museum die Vergangenheit von Porta Nigra und der Stadt Trier.

Die kaiserliche Residenzstadt Trier, die von den Kaisern Maximilian und Konstantin I. seit dem 3. Jahrhundert zur Vorzeigestadt Roms entwickelt wurde, zeigt noch heute beeindruckend, wie prunkvoll gelebt werden konnte, wo sich Reichtum und herrschaftliches Wohlwollen ergänzten. Ob Amphitheater, die Römerbrücke (älteste Brücke Deutschlands), der Hauptmarkt, die Konstantin-Basilika oder das Kurfürstliche Palais – Trier ist ein Füllhorn von Zeugnissen der Vergangenheit in einem liebevoll erhaltenen Zustand.

Ob in Trier, Bernkastel-Kues oder einer der vielen anderen Städte an der Mosel, vielfach werden Ausflüge per Fahrgastschiff auf der Mosel angeboten, die den beanspruchten vier Buchstaben eine Ruhepause gönnen. In entschleunigender Manier tuckern die Wasserfahrzeuge mit ihren Passagieren flussauf- und –abwärts, um Sicht auf die Einbettung der malerischen Orte in die Weinberge zu geben. Nur der Besuch der kleinen und großen Lokale mit ihren unterschiedlichen Angeboten und reichhaltigen Weinkarten rundet den perfekten Genuss ab, wenn die Fahrräder im Keller verstaut sind.