Einst war Lodz für seine Baumwollprodukte in ganz Europa eine feste Größe. Heute hat sich die polnische Stadt zum urbanen Zentrum entwickelt, das auch Touristen einiges bietet.

Als Schlagersängerin Vicky Leandros 1974 einen gewissen Theo aufforderte, nach Lodz zu fahren, fanden das zwar jede Menge Deutsche gut und verschafften dem Titel die Führungsposition in den Hitparaden, aber was hätte Theo in Lodz machen sollen? Zu dem Zeitpunkt hätte er die Lautstärke und Hitze einer der vielen Baumwoll-Spinnereien oder Weiterverarbeitungen im zentralen Polen ertragen müssen. Denn einst war Lodz für seine Baumwollprodukte in ganz Europa eine feste Größe. Innerhalb der Mauern riesiger Backsteinbauten ließen in den vergangenen Jahrhunderten in der polnischen Stadt die Textilisten ihre Baumwolle aus den Vereinigten Staaten und später aus der Kaukasusregion verarbeiten.

Pioniere wie Izrael Poznanski und Karol Scheibler bauten dort die größten Fabriken der wachsenden Stadt im 19. Jahrhundert. Weitere kleinere Unternehmer folgten. Nahezu alle vereinte die Produktion von Stoffen und Kleidung. Allein die Fabrik von Izrael Poznanski gab mehr als 8.000 Menschen Arbeit. Auf einer Fläche von 27 Hektar erschien Lodz in der Peripherie wie ein Wald aus Schornsteinen. Erst im vergangenen Jahrhundert bröckelte die Substanz. Der Markt wandelte sich, zuletzt massiv durch den Wegfall des „Eisernen Vorhangs“.

Auf den Plätzen der Stadt Lodz pulsiert das Leben. (Foto: Kurt Sohnemann)

Das junge Lodz formiert sich für die Zukunft

Aus florierenden Produktionsstätten wurden kurzfristig seelenlose Gemäuer von erdrückender Dimension. Die Einwohner der Stadt Lodz, das von den Polen „Wutsch“ ausgesprochen wird, überließen den Backsteinbauten von eindrucksvoller Größe nicht dem Verfall. Staatliche und europäische Mittel trugen ihren Teil dazu bei, dass sich heute viele aufstrebende Unternehmen die Räume unter den Dächern teilen. Insbesondere Bars und Cafés und eine geschmackvoll gestaltete Gastronomie haben sich als Anziehungspunkte für die vielen Menschen zu allen Tags- und Nachtzeiten etabliert. Auffallend ist dabei der hohe Anteil junger Einwohner von Lodz, die sich in mindestens einer der 17 Fakultäten der Metropole eingeschrieben haben. Sie verhelfen dem Zentrum zu einem urbanen Leben besonderer Art.

Lodz hat sich rechtzeitig zum 600-jährigen Stadtjubiläum aus der ehemaligen Industriemetropole zum urbanen Anziehungsort gewandelt. (Foto: Kurt Sohnemann)

Zu Besuch in Holly-Lodz

Geschmackvolle Architektur hat die Vergangenheit mit der Gegenwart in Lodz zusammen-geführt. Moderne Hotels wie das Vienna House Andel’s, das die Wyndham-Gruppe gekonnt in eine ehemalige Fabrik integriert hat, garantieren den Gästen der Stadt hochklassige Unterkünfte zu moderaten Preisen. Aus einer der größten Fabrikstädte Europas ist eine blühende Metropole mit Start-ups, digitaler Technologie und besonders der Filmindustrie geworden. Internationale Erfolge konnten Filmproduktionen aus Lodz mehrfach feiern. Am eindrucksvollsten gelang dies dem Andrzej Wajda-Streifen „Das gelobte Land“. Er wurde sogar für den Oscar nominiert und spiegelt die Entwicklung der aufstrebenden Textilstadt Lodz zum Ende des 19. Jahrhunderts in einem Drama wider. Holly-Lodz wurde nicht nur in Polen zu einem festen Begriff. Ein Filmmuseum in der ehemaligen Residenz des Industriellen Scheibler und ein weiteres Museum für moderne Filmkultur und Comics geben den Besuchern einen weitreichenden Einblick in die Bedeutung der Stadt Lodz in der Branche. Requisiten aus zahlreichen Zelluloidstreifen zeugen von der Bandbreite des Filmschaffens in dem Scheibler-Palast.

Die Piotrkowska-Straße ist als Einkaufszentrum eine über vier Kilometer lange Fußgängerzone. (Foto: Adobe Stock / Patryk Kosmider)

Lodz als Shoppingparadies

Auch wenn Lodz mit seiner ungewöhnlich vielseitigen Museumskultur ein breites Spektrum an Blicken in die Vergangenheit und die Kunstszene gewährt, ist schon die Ausstrahlung der Innenstadt selbst ein Erlebnis. Die Piotrkowska-Straße ist mit über vier Kilometern Länge die Haupt-Einkaufsstraße der Stadt und fasziniert mit den vielen kleinen und mittelgroßen Geschäften. Die bieten den Einwohnern alles, was sie zum Leben brauchen. Große Filialisten, die das Bild westlicher Innenstädte bestimmen, sucht man in Lodz vergebens. Sie würden auch nicht in das malerische Stadtbild passen, das von zahlreichen Straßencafés gesäumt ist.

Lodz ist grün. (Foto: Kurt Sohnemann)

Lodz ist eine grüne Stadt

Angrenzend an das von ehemaliger Industrie geprägte Stadtviertel Ksiezy Mlyn schließt sich der etwa 17 Hektar große Stadtpark an, der in seiner natürlichen Vielfalt und von Landschaftsgärtnern gepflegten Ausstrahlung den Menschen Zeit zum Verweilen verschönt. Wer mehr Leben braucht, sollte sich den Zoo der Stadt ansehen. Stolz sind die Lodzer auf das Elefantengehege, das zu den größten seiner Art in Europa zählt